"Vom Strömen der Bilder", einführender Text von Andreas Kühne, 2011
"Die Kunst ist nicht nur über uns, sondern durch uns überall möglich", lautet ein selbstbewusster, programmatischer Satz, den Armin Saub und Heinz Weld in einem begleitenden Text zu ihrer Installation "Wasserzeichen" (1988) für den Wasserburger Skulpturenweg formuliert haben. Um aus einer Möglichkeit Wirklichkeit werden zu lassen, um einer Idee Farbe und Form zu verleihen, bedarf es immer konkreter Räume, in denen die Kunst Gestalt annehmen kann.
Beide Künstler, die seit 1983 die raumbezogene Arbeit des Münchner "Kollektiv Herzogstrasse" weiterentwickeln, haben mit ihren "Begehbaren Bildern" und den "Bildseglern" ein breites Spektrum unterschiedlicher Innen- und Außenräume erschlossen, geformt und verwandelt. "Wir sind glücklich", äußerte Heinz Weld kürzlich in einem Interview, "dass wir so viele wunderbare Räume bespielen konnten."
Die "Bildsegler" brechen die räumliche Isolation einzelner Bilder und Plastiken auf. Mit ihren aus farbigen Stoffen gebildeten Formen, einem aus Stoff und Himmel in die Luft gemalten Mosaik, verbinden sie Malerei und Plastik zu einem unauflöslichen Ganzen. In dem sie sowohl den traditionellen Bildrahmen als auch das museale Gehäuse verlassen und in den umgebenen Raum diffundieren, quasi hinaussegeln, gewinnen sie einen neuen, schier unerschöpflichen Kontext aus formalen und inhaltlichen Bezügen.
Im Ismaninger Schlosspark formen ein spätbarocker, im 19. Jahrhundert veränderter Pavillon und die ihn umgebenden Bäume, Sträucher und Wiesen einen fast 300 Jahre lang gewachsenen Raum für ein ephemeres, gleichsam aus dem Nichts auftauchendes, nur für kurze Zeit existierendes Werk, dessen Nachbilder allein in der Erinnerung der Betrachter fortwirken. Im Giebelfeld des Pavillons intoniert die Lyra mit einer Verszeile des Horaz: "Beatus ille qui procul negotiis" (Glücklich derjenige, der fern von den Geschäften ist), das von einer anderen Zeit und anderen Baumeistern geschaffene Leitmotiv, das in die Gegenwart der "Bildsegler" hineinragt. Nach oben hin ist der "Rahmen" der "Bildsegler" offen und appelliert an den Betrachter – ähnlich wie Hölderlins Elegie "Der Gang aufs Land" – "ins Offene" zu kommen und dem "offenen Blick offen der Leuchtende" zu sein.
Inmitten der Landschaft vor dem Pavillon bilden die "Bildsegler" ein Geländer für den Weg ins Offene. Dieser aus Seilen und bunten Stoffbahnen geformte Leitfaden mäandert durch ein Geflecht aus Geschichte und Natur, aus Architektur und Gartenkunst und schafft so den Raum für eine neue Wahrnehmung, der sich durch seine temporäre Existenz den Mechanismen der Vermarktung entzieht.
Armin Saub hat einmal auf die Frage, woher seine Bilder kommen und wohin sie gehen, die Metapher einer Reuse benutzt, um zu zeigen, dass Bilder aus Partikeln bestehen, die im Raum treiben wie Plankton. Sie verfangen sich für einige Zeit in diesem mehr oder weniger feinmaschigen Netz und treiben verändert weiter.
Im Ismaninger Schlosspark weben die Partikel der "Bildsegler" ein nicht festzuhaltendes, transitorisches Bild, das aufblüht und vergeht, und dessen Wahrnehmung sich den Regeln der digitalen Welt verweigert.
aus dem Katalog "Farbzeit", 2011, Text von Andreas Kühne