Angeregt durch eine Zeitungsnotiz über die geplante Wiederherstellung des kriegszerstörten Goldenen Saales im Augsburger Rathaus, entwickeln Walter Bidlingmaier und Armin Saub 1974/75 eine zeitgenössische Deckengestaltung für den repräsentativen Saal im berühmten Rathaus, das Elias Holl im frühen 17. Jahrhundert erbaute. Diese Deckengestaltung will mit modernen Mitteln an die verlorene prächtige Renaissancedecke mit Malereien von Matthias Kager erinnern und gleichzeitig den Bezug zum Augsburg der Gegenwart herstellen. Eine Rekonstruktion des kriegszerstörten Saales ist aus der Sicht der beiden Künstler nicht möglich, weil die Formenwelt der Renaissance unwiederholbar ist. Anstelle der vergoldeten Schnitzereien, Wandmalereien und Leinwandgemälde, entscheiden sie sich für eine Verbindung traditioneller und moderner Materialien: Platten aus Corten Stahl, Spiegel, Glas, Draht und Stuck, dazu ein zentraler Laser-Lichtkörper, verbunden mit verschiedenen Beleuchtungssystemen. Mit Stuckemblemen, Spiegel- und Glaselementen entsteht in Kombination mit variablen Lichtgestaltungen eine moderne Ikonographie für Augsburg, die Bezug nimmt auf die große Vergangenheit der alten Reichsstadt und auf die industrielle Tradition des 19. und 20. Jahrhunderts.
Das große Modell für die Deckengestaltung wurde den Vertretern der Stadt im April 1975 vorgestellt, es erhielt große Anerkennung und wurde öffentlich ausgestellt. Doch hatte sich in Augsburg nach älteren wenig überzeugenden Vorschlägen für eine moderne Gestaltung des Saales, eine starke Fraktion für die Rekonstruktion gebildet. Deshalb konnte die zeitgenössische Gestaltung von Walter Bidlingmaier und Armin Saub letztendlich nicht realisiert werden. 1980-84 wurde der Goldene Saal vollständig rekonstruiert. Von der modernen Alternative Bidlingmaier-Saub zeugen Modelle, Zeichnungen und Fotos.
Fotos: Walter Bidlingmaier und Armin Saub
Historische Fotos: Repros aus H. Kießling (Hg.), Der goldene Saal und die Fürstenzimmer im Augsburger Rathaus. Eine Dokumentation der Wiederherstellung, München 1997.